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(c) Linda Dannenberg/Selenophile Art

(c) Linda Dannenberg/Selenophile Art

Der Beobachter

Elias ging mal wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Die Erde beobachten.
Viele seiner Brüder und Schwestern lachten über ihn und fanden es lächerlich, wie er sich jedes Mal wieder zum Fernrohr schlich, um einen Blick auf sie zu erhaschen. Er konnte sich einfach nicht an ihr satt sehen.
Vor allem die Farben hatten es ihm angetan.
Das strahlende Blau der weiten Meere, das saftige Grün der großen Wälder, das dunkle grau der Gebirge, gesprenkelt mit strahlend weißen Seen.
Die weiten gelben Wüsten und braunen Steppen, die vielfarbigen Tundras und mittendrin die hell und bunt erleuchteten Städte der Menschen.

Ihre Kreation wurde nicht von all seinen Geschwistern gut geheißen, besonders sein ältester Bruder hatte einen großen Streit vom Zaun gebrochen, als sie von ihrem Vater mit ihrer Obhut beauftragt wurden. Für seinen Unwillen sich dem Willen ihres Vaters zu beugen, war er von ihm dafür bestraft und verbannt worden.

Seit dem traute sich keiner seiner Geschwister mehr gegen die Menschen zu sprechen, aus Angst ihm folgen zu müssen. Doch Elias waren diese Querellen egal. Ihn faszinierten die Menschen und all das, was sie über die Jahrhunderte hinweg geleistet und geschaffen hatten. All seine Geschwister, die nach unten durften, mussten sich seinen vielen Fragen stellen. Einige beantworteten sie ihm und erklärten ihm sogar Zusammenhänge und brachten ihm die Teile der vielen verschiedenen Sprachen bei, die es auf der Erde gab. Andere ignorierten ihn komplett. Die Forscher unter seinen Geschwistern verweigertem ihm jegliche Antworten, da sie seine Art für nicht objektiv genug fanden – was auch der Grund war, warum ihm nicht gestattet war, die Erde zu besuchen.
Dennoch stahl er sich wann immer er konnte hierher, zum Fernrohr, um nach unten zu schauen.

Natürlich hatte er bei seinen Beobachtungen auch die Kriege gesehen, die die Menschen ausgefochten haben. Er verstand nicht genau warum sie es taten, aber auch darin fand er etwas faszinierendes.
Vor allem früher, als die Menschen wie in großen Herden, die er es sonst nur von Büffeln kannte, über das Land marschiert sind um sich im Kampf zu messen.
Doch mit dem Fortschritt änderte sich das Bild.
Kriege wurden nicht mehr mit Fußsoldaten sondern großen Maschinen gefochten und ihre Zerstörungskraft war unbändig. Man konnte regelrecht sehen wie sich das Bild der Erde veränderte, je weiter der Mensch sich darin einmischte.

Irgendwann während sie sich immer neue Lebensräume erschlossen, hatten die Menschen es geschafft die Nacht zu erhellen. Nicht nur kleine Lagerfeuer oder Kerzen, sondern strahlende Lichter, die bis zu ihnen hinauf reichten.
Wenn Elias nun mit dem großen Fernrohr hinab sah, konnte er sie sehen: Die bunten Lichter einer großen Stadt.
Rote, gelbe, orange Punkte blinkten ihm entgegen und er fragte sich, ob wieder eines der menschlichen Feste stattfand. Er hatte von ein paar von ihnen gehört, bei denen die Menschen ihre Häuser mit Lichtern schmückten.

Als Elias gerade dabei war tiefer in die Stadt hinein zu schauen, legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter.
„Schaust du schon wieder nach den Menschen?“ fragte eine belustigte Stimme neben ihm.
Elias erschreckte, sprang einen Schritt zurück und drehte sich zu seinem Bruder um. Röte stieg ihm ins Gesicht und er vermied es den anderen direkt anzusehen.
„Ich würde sie so gerne einmal aus der Nähe sehen…“, murmelte er nur und tätschelte liebevoll das Fernrohr.
„Ich weiß und wir beide wissen, dass Vater das nicht erlauben würde“, erwiderte der andere gelassen.
„Ja“, bestätigte Elias bedrückt und schaute zur Seite.

„Aber sieh dir das an! Die ganzen Lichter!“ wechselte Elias schließlich das Thema und drängte seinen Bruder vor das Fernrohr, damit er hindurch schauen konnte.
Der andere warf einen Blick hindurch, während Elias ihm mit Begeisterung von den möglichen Festen erzählte, die die bunten Lichter mit sich bringen könnten.
Nach einem Moment runzelte Elias‘ Bruder die Stirn und drehte leicht am Regler für die Entfernung. Ohne Vorwarnung fing er plötzlich an laut los zu lachen.
„Schau dir deine Lichter an!“ Forderte er Elias auf und schob ihn vor das Fernrohr.
Erneut sah dieser hindurch und sah nun eine schwarze Kante um die Lichter herum. Das war keine Nacht, wie er vermutet hatte. Sein Bruder veränderte die Einstellung erneut und bald erkannte Elias die Umrisse einer Tasche.
„Da hat nur ein Mensch etwas glitzerndes in eine Tasche gekippt und du denkst es ist ein großes Lichterfest!“ Spottete sein Bruder.
Elias wurde rot und sah zur Seite während sein Bruder lachend von dannen zog. Er hatte sich so darüber gefreut etwas Neues, etwas wunderschön leuchtendes, entdeckt zu haben, dass er nicht weiter nachgesehen hatte, was es eigentlich war. Beschämt wandte er sich ab. Er entfernte sich vom Fernrohr und die Worte seines Bruders schwirrten im seinen Kopf und mischten sich mit den Stimmen seiner Geschwistern, die ihm wieder und wieder sagten, dass er nicht als Forscher geeignet war. Er sei zu naiv, zu schnell zu begeistern, einfach nicht objektiv genug, um die großen Zusammenhänge zu verstehen – und er würde es nie sein, wenn er seine Faszination für Menschen nicht ablegte.

Tief unter ihm, dort wo der Rucksack stand, war nun eine junge Frau dabei, ihren Rucksack vom ausgekippten Glitzer zu befreien – ungeahnt dessen, was sich weit über ihr abgespielt hatte.

~ 859 Wörter inkl. Titel

Behind the scenes

Read in English
DE_Entw1 - buntDas Bild kommt wieder von Selenophile Art, aber diesmal nicht aus einer von Linda’s Foto Sessions, sondern aus einer (privaten) Momentaufnahme von einem Missgeschick, als ihr Glitzer im Rucksack ausgekippt ist.

Das Bild hat mich fasziniert und es wirkte so wie die glitzernden Lichter einer Großstadt, kurz darauf kam mir dann der Gedanke mit dem Engel und dem Fernrohr und die Grundidee stand, dass es sich dann zu etwas doch eher fiesem Ausgang für den Engel entwickelt hat, hatte ich so nicht geplant und erwartet…das machen Geschichten manchmal einfach mit einem, sie enden komplett anders, als man es erwarten würde…

Die Rohfassung der Geschichte ist seit schon fast einem Monat fertig, aber irgendwie bin ich nicht dazu zu kommen, sie aufzuarbeiten, aber jetzt ist sie fertig und ich hoffe sie hat euch gefallen!

Bis dann

PoiSonPaiNter

P.S. Ihr wollt auch eine Geschichte zu einem eurer Bilder? Dann lest hier nach wie es geht: Dein Bild – Eine Geschichte.

Die Rechte des Bildes liegen bei Linda Dannenberg von Selenophile Art, die der Geschichte bei mir. Eine Nutzung oder Weitergabe ist ohne unsere jeweilige Genehmigung nicht erlaubt.

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Lies auf Deutsch

EN_Entw1 - buntTranslation follows soon

P.S. You want to have a story for one of your pictures as well? Read here how it is done: Your Picture – A Story.

The rights for the story are mine, the ones for the pictures belong to Linda Dannenberg from Selenophile Art. Story and Picture are not to be used or copied without consent of either.