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(c) AniGrafie

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Die Seherin

Das Lachen der Kinder halte über die Lichtung neben dem See, als sie sich um den alten, knorrigen Baum herum jagten.
„Gleich hab ich dich!“ rief das kleine Mädchen aus.
„Niemals!“ erwiderte der Junge und verschwand erneut hinter dem Baum.
Die beiden rannten hin und her bis das Mädchen stehen blieb, als der Junge noch immer weiter lief. Mit einem Satz sprang sie ihn an, warf ihn zu Boden und die beiden rollten lachend durch das Gras bis sie schnaubend und pustend liegen blieben. Sie schwiegen für einen Moment, ein seliges Lächeln auf den Lippen.
Ohne Vorwarnung sprang das Mädchen auf und begann am Baum hinauf zu springen.

„Was machst du da, Kari?“ fragte der Junge verwundert.
„Da! Schau, Karol!“ sagte sie nur und deutete auf ein schwarzes Etwas, dass tief im Stamm des Baumes steckte.
Der Junge kam zu ihr und betrachtete es ebenfalls: Es sah aus wie ein geschmiedeter Kreis in dessen Inneren verschnörkelte Linien sich kreuzten.
Die beiden tauschten einen Blick aus und jeder von ihnen versuchte zuerst den Kreis mit den Händen zu erreichen, aber so hoch sie auch sprangen, es gelang ihnen nicht. Nach einer Weile ließen die beiden sich erschöpft ins weiche Gras unter dem Baum plumpsen.
„Ich wette Myden weiß was das ist!“ entfuhr es Karol und er sprang wieder auf.
„Komm lass sie uns holen!“ forderte er seine Schwester auf und hielt ihr die Hand entgegen, um sie hochzuziehen.
Ohne Zögern nahm diese das Angebot an und die beiden rannten so schnell sie konnten zu Myden’s Haus.

Mit ziehen, zerren, schubsen und vielen Worten schafften sie es letztendlich Myden zu überreden mit ihnen zu kommen.
Nun standen die drei vor dem Baum und betrachteten das Etwas.
„Ich weiß nicht was das ist. Das Ding ist länger in dem Baum, als das ich auf dieser Erde bin“, eröffnete Myden den Geschwistern.
„Aber du bist doch eine Seherin! Du weißt doch alles!“ entgegnete Kari empört.
Myden seufzte.
„Ihr wisst doch – “ setzte sie an und wurde jäh durch ein „Dass ich nur Dinge sehen kann, die von geschichtlicher Bedeutung waren“ unterbrochen, das die Kinder spöttisch im Chor rezitierten.
„Ja, genau“, bestätigte sie leicht verlegen und schaute zur Seite.
„Aber das Dingsie ist schon so lange in dem Baum! Das ist bestimmt ganz wichtig!“ drängelte Kari dennoch.
„Versuch es doch bitte wenigstens“, bat nun auch Karol.
„Na gut, aber wenn ich nichts sehen kann, helft ihr mir zur Strafe, dass ihr mich grundlos hierher gezerrt habt, im Kräutergarten, einverstanden?“
„Jaah…“ gaben die beiden widerwillig ein und gingen einen Schritt zurück.
Myden stellte sich vor den Baum und atmete tief durch, dann streckte sie ihre Arme aus und umfasste den Kreis mit den Fingerspitzen.
Für einen Moment stand sie einfach nur da und konzentrierte sich. Mit ihren Fingern erkannte sie bereits, dass das was dort im Stamm feststeckte aus Metall war.
Und dann überkam es sie.

Wie eine Flutwelle schlugen die Erinnerungen auf sie ein und sie sah bruchstückhaft das Geschehene während ein Ruck durch ihren Körper fuhr. Sie krallte sich am Metallstück fest um den Kontakt nicht zu verlieren.
Die Kinder hinter ihr hielten die Luft an, dass konnte sie nun direkt spüren, doch sie musste ihren Fokus auf das Metallstück lenken, um dessen Geschichte zu erfahren. Schwerer als sonst war es für sie dies zu tun, doch bald sah sie alles vor sich. Sonst sah sie eine Vision nur verschwommen, wie durch einen Schleier und Sprache vernahm sie nur selten, aber dieses Mal konnte sie alles klar erkennen und sogar ganze Sätze vernehmen, so als wenn sie dabei gewesen wäre.

Zwei Männer, in wallende Roben und lederne Brustpanzer gekleidet, standen einander gegenüber. Sie hielten lange Stäbe in der Hand, an einem dieser Stäbe war am oberen Ende das Metallstück befestigt.
„Du wirst bereuen, dass du jemals diesen Weg gewählt hast, Maroluh!“ mahnte der Mann, der mit dem Rücken zu Myden, direkt vor ihr, stand, dessen Stab das Metallstück zierte.
„Ich habe meine Wahl getroffen und du musst sie akzeptieren, Arduk!“ entgegnete der Andere, der mit dem Rücken zum Baum stand, der damals noch kleiner und schmaler war.
Maroluh nahm seinen Stab in beide Hände und die Spitze begann zu glühen und Arduk tat es ihm gleich.

Nun wusste Myden was sie waren und auch wer sie waren: Magier, die einst eine große Veränderung in der Welt hervorgerufen hatten – den Wandel. Dies schien der Ort zu sein, an dem das Ende seinen Anfang nahm. Ihre Arme begannen zu zittern, aber sie ließ die Stabspitze nicht los, denn sie wollte wissen wie es weiterging.

Die Magier tanzten regelrecht umeinander, als sie sich Blitze und Feuerbälle aus den Spitzen ihrer Stäbe entgegen schleuderten und ihnen gekonnt auswichen. Doch nach einer Weile kam Maroluh immer dichter an Arduk heran. Als er nur noch auf Armlänge entfernt war, fing er an seinen Stab wie einen Speer zu nutzen. Er war gewandt darin und sein Gegner schaffte es kaum zu parieren, geschweige denn mit Magie zu kontern. Schließlich fiel Arduk der eigene Stab aus der Hand und Maroluh holte aus, die Spitze seines eigenen Stabes glühte.
Myden dachte, dass er Arduk nun töten würde und auch dieser schien einen tödlichen Stoß zu erwarten als er von ihm zurück wich, aber stattdessen schlug Maroluh auf den am Boden liegenden Stab des anderen und trennte dessen Spitze ab. Anschließend ließ er das Stück empor schweben und versenkte es tief im Baum.

„Geh! Noch einmal werde ich dich nicht verschonen!“ drängte Maroluh den Verlierer.
Er hatte die Spitze seines eigenen Stabes drohend auf Arduk gerichtet und sogleich wurde er von einem Wirbelwind umschlossen und verschwand.

Maroluh jedoch wandte sich zum Baum und legte seine mit Magie glühende Hand auf die Spitze und versiegelte sie im Baum.
Dann drehe er sich um, sah Myden direkt an und sprach:
„Finde die Wahrheit“

Myden wurde nach hinten geschleudert und landete unsanft auf dem Hosenboden.
„Was hast du gesehen? Was hast du gesehen?“ wollten die Kinder sogleich wissen.
Für einen Moment starrte Myden die Stabspitze, hoch oben über sich, einfach nur an und konnte noch immer die Gestalt Maroluhs vor sich sehen.
„Nichts“, hörte sie sich wie aus weiter Ferne sagen.
„Aber du hattest deinen Visionsblick!“ beschwerte sich Kari.
„Ich konnte die Vision nicht halten“, log sie.
Es war besser die Kinder wussten nichts von dem, was sie gesehen hatte, sie musste erst einmal selbst begreifen, was geschehen war und was sie nun zu tun hatte.
Dieser Gedanke überraschte sie und Maroluhs Worte klangen in ihren Ohren wieder
„Finde die Wahrheit!“

~ 1088 Wörter inkl. Titel

Behind the scenes

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DE_Entw1 - buntDas Bild stammt diesmal von AniGrafie und entgegen unserer Prämisse, dass uns Bilder eingereicht werden, habe ich – wie auch oft bei denen von Babsi – einfach mal nachgefragt, ob ich zu dem Bild eine Geschichte schreiben darf.

Ich hatte einfach von Anfang an dieses Bild von einem Streit vor Augen, durch den das Metallding im Baum landete. In der Ursprungsidee war es glaube eher eine Art Ninja-Kampf, da in meinen grob Notizen nur steht, dass

der Wütende etwas in den Baum wirft und es bleibt stecken

Das ist jetzt ein bisschen was anderes geworden, aber ich finde die Version irgendwie besser. Vor allem bietet das auch die Möglichkeit das Ganze zu erweitern. Vielleicht mache ich das auch irgendwann mal, wenn ich weiß wer Maroluh und Arduk sind und was der Wandel war und wie Myden die Wahrheit finden kann…mal schauen…

Myden hieß im Entwurf übrigens Medyn und ist somit mal wieder ein Charakter, der mit seinem Namen nicht einverstanden ist, aber das kenne ich ja schon von Damian aus meinem Adventskalender vom letzten Jahr. Und mit dem Titel bin ich auch mal wieder nicht zufrieden, aber irgendwie fiel mir nichts passendes ein…

Nur mal nebenbei erwähnt: In meiner Rohfassung steht am Anfang – wie ich auch schon bei Twitter berichtete

Wir haben ja auch bei Warlords diverse Merkwürdigkeiten, ein paar konntet ihr ja schon in den Outtakes nachlesen, irgendwann schaffen wir es dann bestimmt auch noch ein paar mehr davon zu veröffentlichen.

Ich hoffe euch hat die Geschichte gefallen.

Bis dann

PoiSonPaiNter

P.S. Ihr wollt auch eine Geschichte zu einem eurer Bilder? Dann lest hier nach wie es geht: Dein Bild – Eine Geschichte.

Die Rechte des Bildes liegen bei AniGrafie, die der Geschichte bei mir. Eine Nutzung oder Weitergabe ist ohne unsere jeweilige Genehmigung nicht erlaubt.

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Lies auf Deutsch

EN_Entw1 - buntTranslation follows soon

P.S. You want to have a story for one of your pictures as well? Read here how it is done: Your Picture – A Story.

The rights for the story are mine, the ones for the pictures belong to AniGrafie. Story and Picture are not to be used or copied without consent of either.