Schlagwörter
fotografie, kurzgeschichte, photography, schreiben, short story, writing
Eisige Zutat
Es war eisig kalt als er aus der Tür trat. Eine Böe wehte ihm entgegen und blies ihm weiße Flocken ins Gesicht. Am liebsten wäre er sofort wieder in die warme Stube zurückgekehrt. Stattdessen zog er die alte Holztür hinter sich zu. Schnell zog er die warmen Fellhandschuhe an, setzte sich die Kapuze auf und rückte die alte Ledertasche, die er über die Schulter trug, zurecht.
Schnee knirschte unter seinen dünnen Schuhen bei jedem Schritt. Er war frisch gefallen über Nacht und eine dicke Schicht bedeckte nun den Boden.
Der Wald um ihn herum war in einen tiefen Winterschlaf verfallen, kaum ein Tier rührte sich, kaum ein Vogel begrüßte ihn mit seinem Gesang.
Es war ein bisschen als wenn er den Wald tatsächlich einmal für sich allein hatte.
Allerdings würde es ihn auch überhaupt nicht stören, wenn der Wald für sich wäre und er nicht durch den Schnee stapfen müsste. Er hatte die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt und seine Schultern eingezogen, aber ihm war immer noch kalt. Er dachte an den warmen Ofen und wünschte sich wieder in der Hütte zu sein anstatt hier draußen. Zu gern hätte er sich jetzt seiner Kräfte bedient und sich ein kleines, tragbares Feuer entzündet, um sich zu wärmen, aber er hatte seinem Meister versprochen, er würde seine Fähigkeiten nicht für solche Spielereien missbrauchen.
Missmutig trat er gegen ein Häufchen Schnee und wirbelte ein paar Flocken auf. Warum musste er eigentlich immer die Besorgungen machen? Immer wieder hieß es: tu dies, hol jenes und nie war es ihm erlaubt seine Magie zu benutzen, um seine Aufgaben zu erleichtern.
„Wer als Zauberer die Handarbeit verschmäht, bringt es nicht weit.“ Pflegte sein Meister immer zu sagen.
Das ergab für den jungen Zauberlehrling keinen Sinn. Wozu hatte er all seine Kräfte, wenn er sie nie einsetzen und erproben konnte?
Seit er seine Lehre angefangen hatte, hatte er kaum etwas von dem Gelernten anwenden können und wenn, dann war es nur unter Aufsicht und Kontrolle seines Meisters. Außer natürlich seiner Kenntnisse in Kräuterkunde, denn mittlerweile konnte er sehr gut ein Kraut vom anderen unterscheiden und wusste sogar, wofür sie gut waren, schließlich musste er sie ständig pflücken und zu Tränken, Tinkturen oder Salben verarbeiten. Vieles davon war für die Heilung bestimmt und er wusste, dass es hilfreich für die Menschen war, denen sie halfen, dennoch wollte er auch mal ein bisschen Zaubern ohne ein schlechtes Gewissen zu haben und das Gefühl seinen Meister zu entehren.
Er wollte doch einfach nur üben.
Sein Meister hatte ihn einmal mit einem Knappen verglichen, der begierig darauf war das Schwert seines Herren nicht nur zu tragen und zu polieren, sondern zu verwenden und sich letztendlich selbst damit verletzte.
„Sei geduldig und deine Zeit wird kommen.“ War eine weitere Redewendung seines Meisters.
Allerdings war Geduld nicht gerade seine Stärke und das wusste sein Meister genau. Er seufzte und verkroch sich noch tiefer in seine Jacke.
Wenn es nur nicht so verdammt kalt wäre.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er endlich an seinem Ziel an: Ein hochgewachsener Strauch voller Hagebutten, dessen Früchte teils von Schnee bedeckt und teils von Eis eingeschlossen waren. Vorsichtig, um den Strauch nicht zu beschädigen reckte er sich empor, um die eingefrorenen Früchte abzupflücken. Er war groß genug, um einen Großteil ohne Mühen zu erreichen, aber die obersten hingen selbst für ihn etwas zu hoch.
Gerade hatte er seine Hand gehoben, als ihm auffiel, dass er die Beeren wohl kaum mit Fäustlingen anfassen konnte. Mit einem Brummen fiel er zurück auf seine Hacken und senkte dabei die Hand wieder. Umständlich zog er den Handschuh mit Hilfe seiner Zähne aus, da er auch mit der anderen Hand nicht richtig fassen konnte, und spuckte ihn dann auf den Waldboden.
Beim zweiten Versuch konnte er die Beeren nun einzeln sammeln und in seine Umhängetasche packen. Dabei musste er aufpassen, denn er durfte nur die nehmen, die in Eis eingehüllt waren oder von denen Eis herunter hing.
Als er die letzte Hagebutte dieser Art abgepflückt hatte, ging er einen Schritt zurück und betrachtete den nun recht kahlen Strauch.
„Tut mir Leid und hab dank.“ murmelte er dem Gewächs entgegen und verbeugte sich knapp.
Sein Meister hatte ihm Respekt vor allem Leben gelehrt und auch ein Strauch war etwas lebendiges, dass geehrt werden sollte, vor allem wenn es einen so reichlich mit Früchten versorgte.
Anschließend beugte er sich, um seinen Handschuh wieder aufzuheben und machte sich auf den Rückweg.
Wozu sein Meister allerdings gefrorene Hagebutten brauchte war ihm noch immer schleierhaft. Er wusste, dass sie große Heilkräfte hatten, aber er verstand nicht, warum sie dafür gefroren sein mussten.
Allerdings ergaben viele seiner Aufträge wenig Sinn während er sie ausführte, aber sie zu hinterfragen hatte er längst aufgegeben, denn der Alte würde ihm nur einen Blick zuwerfen, der ihm sagte, er solle nicht so viele Fragen stellen und seine Aufgabe erledigen. Und das jedes Mal wenn er gerade den Mund aufgemacht hatte.
Er hatte schon oft darüber nachgedacht sich einfach einen neuen Meister zu suchen, der ihm erklärte warum er Dinge tun sollte. Dann aber fiel ihm wieder ein, wie sehr er den Alten mochte und das er ihm Dinge erklärte, wenn er sie wissen musste. Es dauerte dann zwar meist eine Weile, aber schlussendlich erfuhr er wofür seine Besorgungen und Mixturen gut waren. Außerdem waren Hexenmeister, die Lehrlinge akzeptierten schwer zu finden und er hatte eigentlich auch keine Lust zu suchen. Unbewusst zuckte er mit den Schultern, während er weiter durch den Schnee zurück stapfte. So blieb halt doch alles beim Alten.
– 921 Wörter (inkl. Titel)
Behind the Scenes
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Das Bild stammt noch aus denen, die ich für meinen Adventskalender bekommen und nicht verwendet habe. Wer meinen Blog ein wenig verfolgt wird Katrin allerdings eher unter dem Namen Black Kat kennen, die hin und wieder in meinen Erzählungen auftaucht.
Ich glaube der Zauberlehrling hier ist ein bisschen eine Mischung aus (BBC) Merlin und Ged/Buntfalke/Sperber aus Ursula Le Guins Erdsee, aber genauso gut jeder andere ungeduldige Lehrling. :D
Für die Biologie-Interessierten: Hagebutten sind übrigens (wie Erdbeeren) Sammelnussfrüchte, wird aber selbst als Beere bzw. ihre Kerne als Frucht bezeichnet (sagt zumindest Tante Wiki).
Bis demnächst
PoiSonPaiNter
P.S. Ihr wollte auch eine Geschichte zu einem eurer Bilder? Dann lest hier nach wie es geht: Dein Bild – Eine Geschichte.
Die Rechte der Geschichte liegt bei mir, das des Bildes bei Katrin Brockmann-Propp. Es dürfen weder die Geschichte noch das Bild genutzt oder kopiert werden, ohne die Zustimmung des jeweiligen Rechteinhabers.
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The picture is amongst the ones I got for my Advent Calendar but didn’t use. But those who follow my Blog a bit would know Katrin by the name Black Kat, who appears in my tellings on occasion.
I do believe the sorcerers‘ apprentice is a bit of a mix of (BBC) Merlin and Ged/Sparrowhawk from Ursula Le Guins Earthsea, but then again could he be just like any other impatient apprentice. :D
For the biology-interested: Rose hips are (like strawberries) archene fruits (we call them Sammelnussfrucht – nutcollector fruit – in German), but is still called a berry, while the archenes are called fruit. (At least according to aunt Wiki).
Until next time,
PoiSonPaiNter
P.S. You want to have a story for one of your pictures as well? Read here how it is done: Your Picture – A Story.
The rights for the story are mine, the ones for the pictures belong to Katrin Brockmann-Propp. Story and Picture are not to be used or copied without consent of either.
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